Ich schlief in einem Balinesischen Bett unter freiem Himmel. Ich aß eine große Dose Kaviar ganz allein. Ich trug einen Schlafanzug, auf dem mein Vorname aufgestickt war. Nun bin ich für die Kreuzfahrt verdorben. Für alle Zeit. Und Schuld ist die Seadream II. Auf einen Nenner gebracht: Mehr Service geht nicht. Gerne murre ich, wenn dem Weißwein ein paar Kältegrade fehlen. Oder eine Erbse nicht al dente ist. Aber dieses Mal fällt mir das verdammt schwer. Aber der Reihe nach.
Es ist Samstag, sechzehn Uhr. Ich sitze im Main Salon auf Deck 3, bereit fürs Briefing. Schon die Begrüßung ist anders. „Hello Seadreamers!“ empfängt uns Richard, der Club- und Activities-Director. Wir sind gemeint, die Neuankömmlinge. Keine Pauschal-Passagiere, „Seadreamers“ eben. Eine Woche wollen wir gemeinsam vor der Küste Italiens kreuzen. Und hier in Civitavecchia, 70 Kilometer westlich von Rom, soll die Reise beginnen. „It’s yachting, not cruising“, titelt die Bordbroschüre. Soll heißen: Die Seadream II ist eine Luxusyacht, kein Kreuzfahrtschiff. Zwischen Back- und Steuerbord passen gerade mal hundert Hochseereisende. Erlesene Gäste auf einem erlesenen Schiff. Ich bin der einzige Deutsche, was durchaus Vorteile hat: Herr und Frau Neureich sind nicht da, es klimpert keiner mit Klunkern. Der Dresscode an Bord ist „Yacht Casual“, was soviel heißt wie: Krawatten müssen leider draußen bleiben. Hier gilt: Luxus - locker und leger.
Unter blaubeer-blauem Himmel und dem Ploppen der Champagner-Korken verlässt die Seadream II gegen Abend den Hafen von Civitavecchia. Exklusiv heißt auf diesem Schiff „inklusiv“. Und so macht sich bei der fürstlichen Flatrate keiner Gedanken über Nebenkosten – sehr angenehm. Barkeeper Andy mischt mir eine kreative Kombination aus frisch gepresster Ananas und Veuve Clicquot. Nach der dritten Schale legt sich ein Lächeln in mein Gesicht. Also vorsichtig die Treppe hinunter zum halboffenen “Topside Restaurant”. Die surrenden Ventilatoren an der Decke verraten: Die Seadream II ist ein Schönwetter-Schiff, fährt nur dort, wo es warm ist: im Winter in der Karibik und im Sommer im Mittelmeer.
Die Sonne blinzelt gerade über dem Horizont, als wir am nächsten Morgen die felsige Südküste der Insel erreichen. Wo bitteschön ist hier ein Hafen? Und dann entdecken wir sie, die Lücke zwischen den Klippen. Es ist die Einfahrt in einen fast unwirklichen Fjord. Vorbei an Höhlen, Grotten und kleinen Buchten manövriert Kapitän Terrje das Schiff rückwärts. So mancher griechischer Fährenkapitän hätte hier sein Arbeitsgerät auf einen Felsen gesetzt. Nicht der Norweger. Wie Schwalbennester kleben die Häuser von Bonifacio hoch oben an der Felswand. Zwei Stunden später schlendern wir da oben durch die Gässchen.
„How was your day, Mister Bahn,“ empfängt mich Albert mit dem freundlichsten Lächeln seit der Erfindung der Kreuzfahrt. Der Kellner weiß nicht nur meinen Namen. Jedes Crew-Mitglied scheint jeden Gast persönlich zu kennen. Gemeinsam erreichen wir am nächsten Tag die kleine italienische Insel Ponza. Was die Fischer von Ponza niemals erleben werden, geschieht am nächsten Tag auf dem Sonnendeck der Seadream II. Gary und Andy, die beiden Bartender, gehen von Liege zu Liege. In der Hand eine Sidolin-ähnliche Flüssigkeit und ein Tuch. Und dann putzen sie tatsächlich die Sonnenbrillen der „Seadreamers“! Nicht die von Claudio, einem der Australier. Der reitet auf einem Jetski Amalfi entgegen. Heute Morgen hat Captain Terrje hier vor der Küste den Anker geworfen. Dann ließ er die Heckklappe herunter, und die fungiert nun als Marina: Zodiac, Kajak, Segelboot, Bananaboot, Jetski – wir „Seadreamers“ haben hier die freie Wassersport-Wahl.
Für die Land-Alternative stehen Mountainbikes bereit. Doch die Räder stehen still: Die Amalfi-Küste ist schon für Autofahrer eine besondere Bergprüfung. Wieder an Bord das tägliche Ritual bei der Rückkehr: Einer aus der Crew wartet mit der Spritzflasche. Wir strecken brav die Hände aus, ein kalter Klecks Desinfektions-Gel, alles verreiben, fertig. Hier wird an alles gedacht. Unterdessen wird im Main Salon eine Dose Kaviar aufgeschraubt. Ja, Luxus lässt sich löffeln.
Am nächsten Abend kommt mein neuer Schlafanzug (ich erwähnte ihn anfangs) erstmals zum Einsatz: Ich habe ein Balinesisches Bett gebucht. Neun davon gibt es oben auf dem Sonnendeck. Tagsüber sind es Liegen, ab 22 Uhr werden sie frisch bezogen für das „Dreaming under the stars“. Während in der Ferne die Lichter von Positano funkeln, falle ich einen wohligen Schlaf.
Die nächste Nacht das Kontrastprogramm. Wir ankern vor Sorrento mit Blick auf den Vesuv. Rund um den Pool hat sich die Seadreamers-Gemeinde versammelt. Den Cocktail in der Hand starren sie alle in eine Richtung: Auf der großen Leinwand flimmern „Die letzten Tage von Pompeii“, wie passend. Schließlich sind am Tag die meisten Passagiere zur verschütteten Stadt am Fuße des Vulkans gepilgert. Ich war beim „Chef’s Walk“, habe den Kapitän und Richard durch Sorrento begleitet und mich durch die Altstadt genascht. Den besten Mozzarella meines Lebens verspeist, einen Zitronenschnaps geschlürft und in der Gelateria Bougainvillea ein Jahrhundert-Eis geschleckt.
Und nun bleibt nur noch: Capri. Nicht das Eis, die Insel. Unser letztes Ziel. Richard gibt mir den entscheidenden Tipp: Vom Hafen Grand Marina mit der Zahnradbahn nach Capri-Stadt, dann mit dem Taxi nach Anacapri und dort in den Sessellift hinauf zum Monte Solaro, dem höchsten Punkt der Insel. Als ich oben ankomme, verschlägt es mir die Sprache. Was für ein Blick! Neapel, der Versuv, die Amalfiküste. Und irgendwo da unten ankert die Seadream II, das grandiose Schiff, das jeden Wunsch erfüllt. Also: Ich hätte hier oben gerne mein Balinesisches Bett. Und eine Dose Kaviar. Danke.